Warum Schopenhauer Pudeln liebte und Nietzsche Schnurrbart trug oder
Eine etwas andere Einführung in die Geschichte der Philosophie
Von Constanti Sperneac-Wolfer
„Facere docet philosophia, non dicere“ ! Ganz in Sinne der übertragenen
Maxime von Seneca und auch sonst im Sinne des gesamten antiken Stoizismus
von Epiktet bis Marc Aurelius, wonach Philosophie kein bloß
wissenschaftliches System, sondern vor allem im Alltag unmittelbar
vollzogene Lebensübung („askesis“) ist, will Alain de Botton – der Autor
des „Trostes der Philosophie“ – uns in unruhige Zeiten, wie die der new
economy, eine Gebrauchsanweisung zur aufgeklärten Lebensführung an die Hand
geben. Nicht der Mangel am philosophischen Wissen ruft in uns negative
Zustände und Gefühle wie z.B. Unbeliebtheit, Frustration, Enttäuschung,
Unvollkommenheit, ja selbst Geldmangel, etc. hervor, sondern vielmehr das
Unverständnis und die Unkenntnis der Ausrichtung unserer (Um-)Welt und des
eigenen (Da-)seins. Nicht von ungefähr leiht sich Alain de Botton – der
smarte, ehemalige Cambridge Schüler schweizerischer Herkunft – den Trost
der Philosophie. Der Titel des Buches ist selbst Programm und führt auf das
„De consolatione philosophiae“ von Boetius zurück, auf jenem Buch des in
die Philosphie verliebten und in der rauen Zeit des 5. Jahrhunderts zum
Tode verurteilten Beamten; ein Buch, das Jahrhunderte lang neben dem
„Encheiridion“ von Epiktet – durch die ganze Pleiade der Moralisten von
Montaigne bis hin zu den existentialistischen Strömungen unserer Zeit
hindurch – als das philosophische Buch und als der Trost der Philosophie
überhaupt gefeiert wurde.
Aber nicht die gelehrte – wie so oft, klassisch anmutende – geschichtliche
Perspektive ist die, aus der der Autor schreibt, sondern vielmehr die der
alltäglichen frustrierenden Lebenskonstellationen und gescheiterte
Lebensprojekten, die letztlich unser Leben als solches ausmachen:
enttäuschte Liebe und Verlassensein, Zurückweisung und Unverständnis,
unerfüllte Sehnsüchte und bittere Wirklichkeit. Dabei versteht der Autor es
sehr gut, sich hinter seinen vorgeführten Akteuren zu verstecken und dabei
ungeniert in die Intimität des Privatlebens schulmäßig bekannter
Philosophen nach harten stories zu wühlen. Er läßt Sokrates, Epikur,
Seneca, Montaigne, Schopenhauer und Nietzsche über die selbst erlebte
Unbeliebtheit, über Geldmangel und Frustration, über Unvollkommenheit und
Schwierigkeiten im Leben und nicht zuletzt über……………. das
gebrochene Herz sprechen. Ein Monolog im bürgerlich-pädagogischen Sinne des
Wortes ist der Text nicht, vielmehr ergibt die geschickte Inszenierung der
ausgesuchten Zitate und der mit Augenmaß aufgeführten biographischen
Details aus dem Leben der vor-geführten Philosophen, eines jener
Zwiegespräche, das ohne ein „dialogos“ im sokratischen Sinne zu sein,
dennoch nichts von der Persuasivität und Überzeugungskraft eines solchen
verliert.
Die sehr persönliche Schiene auf die Alain de Botton sein Buch aufbaut, und
die sich daraus scheinbar ergebenden Gleichwertigkeit unserer eigenen
intimen Gefühle und Lebenssituationen mit denen der „großen Philosophen“ ,
hilft dem Autor schließlich, die Thematik des Trostes der Philosophie auch
medial auszuschöpfen. Das unauffällig im „Fischer Taschenbuch Verlag“
erschienene Buch von Alain de Botton diente in England als Grundlage einer
sehr beliebten 6-teiligen Fernsehserie. Darin – gerade in ihrer
Publikumswirksamkeit – liegt auch die nicht ungefährliche Wette, die der
Autor mit dem qualifizierten Leser abgeschlossen hat, nämlich eine prekäre
Balance zwischen den geringen Anforderungen einer beliebigen
Populärliteratur und den sehr individuellen Ansprüchen der philosophischen
Suche nach einem geglückten persönlichen Lebensweg (eudaimonia) . Zum
Trost des gelegentlichen, aber auch des qualifizierten Lesers kann man
sagen, daß Alain de Botton am Ende – kaum erwartet nach einer solch
ambitionierten show – durch sein Buch gelungen ist, ein glaubwürdiges
Beispiel dessen zu führen, was die Philosophie, besser gesagt ein nach den
Grundsätzen der Philosophie geführtes Leben, auch leisten kann; nämlich den
harten Alltag tröstlich zu meistern.“